Heiliger Gesang

Der Deutsche Choral
(Kurzdarstellung)

Choral im strengen Sinne ist einstimmiger melismatischer Kirchengesang, dem nach byzantinischer Praxis ein Grundton, der so genannte Ison, unterlegt wird. Das Choralmelos entwickelt sich aus dem geistgetragenen heiligen Wort (Bibeltext, Gebetstext), was sich sowohl auf die Betonung und Syntax der Sprache, als auch auf die Haltung der Anbetung in Geist und Wahrheit seitens des Meloden, und letztendlich auf Christus selbst bezieht, das ewige Wort Gottes (Joh.I, 1-8).

Gesang und Rituale bilden ein zentrales „Arbeitsfeld“ geistiger Übung in allen traditionalen religiösen Kulturen der Menschheit. Dabei gilt es, jenseits von äußerer Lehre und Gefühlsbewegung, geistiges Gewahren zu initiieren und zu kultivieren. In vielen orthodoxen Klöstern des Heiligen Berges Athos und an anderen Orten wird diese Praxis seit nunmehr fast 2000 Jahren gepflegt. Der byzantinische Choral ist für die griechische Sprache daßelbe, was der gregorianische Choral für die lateinische Sprache ist.

Für die deutsche Sprache versuchte man seit dem 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit der liturgischen Bewegung, ausgehend von der lateinischen Gregorianik, einen altkirchlichen Choral zu gewinnen. Heute vermag man durch die Einbeziehung der anderen altkirchlichen Choraltraditionen die Grundprinzipien des Chorals besser zu erkennen und ihn als musikalische „Ursprache“ zu verstehen. Diese nimmt erst in den Sprachen der Völker jeweils ureigene Gestalt an. Die Choraltraditionen der christlichen Völker (byzantinischer, lateinischer, georgischer, syrischer, altbulgarischer usw. Choral) sind gewissermaßen Dialekte dieser einen Ursprache des Chorals.

Der Deutsche Choral ist ein solcher Choraldialekt auf der Grundlage der deutschen Sprache. Er wurde seit 1977 von Altvater Johannes entwickelt, nach dem Vorbild der Gregorianik und der byzantinischen Choraltraditionen. Seit 1990 wird er im heiligen Dreifaltigkeitskloster in Buchhagen praktiziert und gelehrt.

Der russische Kirchengesang, der schon seit über 100 Jahren hier und da mit deutschen Texten unterlegt wird, ist stark von der romantischen Musikkultur des 19. Jahrhunderts geprägt (Bordnjianski, Tschaikowski, Rachmaninow u.a.), ist also kein „Choral“ im strengen Sinne. Die älteren altslawischen Gesangstraditonen (snamnije rospev u.a.) hingegen sind reine Choraltraditionen und dienen ebenfalls als Vorbild für den Deutschen Choral. Z. B. wird in Buchhagen jeden Abend in der Vesper der Hymnos des Symeon gesungen, das „Nun entlässest Du ...“, welches eine Kontrafactur des altslawischen ninje otputschajeschi darstellt. Neuerdings gibt es auch an anderen Orten analoge Bemühungen um einen deutschsprachigen Kirchengesang. Inzwischen liegt im Dreifaltigkeitskloster das gesamte Ordinarium des Stundengebetes und der göttlichen Liturgie vor, sowie die Hymnen der Hochfeste und eine Reihe Psalmenkompositionen. Außerdem gibt es verschiedene Modelle für den Psalmengesang in allen 8 Kirchentonarten. Alle Gottesdienste werden im Deutschen Choral gesungen.