Orthodoxes Mönchtum
Heilige Gefolgschaft – Chor der Engel
Heilige Gefolgschaft ist keine irdische Angelegenheit, sondern ein
Mysterium. Sie gründet gleichermaßen in der Kraft Gottes wie im
Durchstoß des Berufenen zum Geist. Mönche, so sagt die heilige
Überlieferung, sind Engel im Leibe. Engel dienen Gott in völliger
Selbstlosigkeit. Sie sind in reiner Liebe und Hingabe miteinander
und mit Gott, dem ewigen Urgrund des Seins, verbunden. Von
Ihm, der Allheiligen Dreifaltigkeit, empfangen die höchsten Engel
(Serafim, Cherubim und Throne) überstoffliches Licht und Gnade
und atmen den Odem von Gott. Sie sind LIEBE, ERKENNTNIS
und RUHEN IN GOTT. In seligem Reigen stehen sie am Thron
Gottes und singen das ewige „Heilig, heilig, heilig“. Die einen
glühen in Liebe, die anderen schauen in klarster Erkenntnis, und in
den dritten ruht Gott, so wie sie ihn Ihm ruhen. In tiefer Liebe
wenden sie sich den unter ihnen stehenden zu und teilen ihnen, was
sie selbst von oben empfangen, so vollkommen als irgend möglich
mit – soweit jene es zu empfangen vermögen. Die mittleren Engel
(Herrscher, Mächte und Gewalten) walten über der Harmonie des
Alls, führen und leiten die Heiligen der Kirche Gottes und streiten
als Herzöge und gewaltige Krieger wider die Mächte der Finsternis.
Sie sind von überragender Schönheit und jeglicher erniedrigenden
Knechtung feind und unzugänglich. Ihre Herrschaft entartet
niemals zur Tyrannis, sondern ist erhaben über jede Entfremdung.
Sie ist voller Güte; sie wirkt Freiheit, Selbstwerdung und Aufstieg.
Die Engel des unteren Chores (Urmächte, Erzengel und Engel)
schließlich leiten die Völker und Sippen ebenso wie die gottgeweihten Gefolgschaften, sie offenbaren die Verheißungen und Begnadungen von Gott her und
sind im umfassendsten Sinne Boten Gottes. Die Engel verschmähen jeden Zwang, denn sie achten die Freiheit des Menschen. (Vgl. Dionysios Areopagites,
Die himmlischen Hierarchien).
Angesichts dieser überirdischen Wirklichkeit als Mensch „in den Chor und die Gemeinschaft der Engel“ einzutreten, wie es im Ritual der Mönchsweihe heißt,
wäre allein aus menschlicher Kraft unmöglich. Die Gnade Gottes aber gibt dem Berufenen die Kraft. Unsere Aufgabe ist es, den Ruf Gottes zu vernehmen
und ihm zu folgen. Der Weg von der irdischen zur engelgleichen Seinsweise führt – in der Ausdrucksweise des Mythos – über eine Brücke, die dünn ist wie ein
Haar und scharf wie ein Schwert. Nur der reine Liebende, der ganz Hingegebene, kann sie überqueren. Ihm wird sie weit und bequem, und überkörperliche
Engel leiten ihn. Ein anderes Bild spricht von einem „Sprung vom Felsen“ und bringt so das Ganzopfer zum Ausdruck, in dem der Mönch sich selbst als
Liebesgabe Gott, dem ewigen, unerkennbaren Urgrund des Seins darbringt. Den Weg der Mönche zu gehen ist keine Sache von Vernunftgründen, sondern
gründet tiefer, in der Ewigkeit, im Herzen Gottes und im Herzen des Berufenen.
Die Überwindung des eigenen, von der Sünde determinierten, Willens gehört zu den schwierigsten Anforderungen auf dem geistigen Weg. Nur so kann das
Mysterium der Vergottung Wirklichkeit werden. Deshalb sagen die Väter vom Heiligen Berg Athos, daß im Gehorsam schon alles andere enthalten sei. Der
Gehorsam schafft Überwindung, die Überwindung aber Reinheit, Klarheit und Liebe – und aus diesen fließt alle Schönheit, alle Güte und Wahrheit auf Erden.
Der geistige Gehorsam wiederum kommt aus der Erkenntnis, der Liebe und der Treue; er beginnt, wo die göttliche Sehnsucht ihr Ziel findet.
Der heilige orthodoxe Mönchs- und Kirchenvater Basileios der Große (328 - 379 n. Chr.) rühmt in seinen Beschreibungen des Mönchtums besonders die
Liebe und Eintracht, die unter den Gottgeweihten herrscht. Sie bewirkt, daß die Mönchsgemeinschaft wie ein einziger Leib, oder vielmehr wie ein Geist in
vielen Leibern lebt und handelt. Diese Liebe und Einmütigkeit gründet nicht im Fleisch, sondern im Geist (vgl. Joh. I 12-13; Röm. VIII 9-11). Sie wird
möglich, indem der Einzelne seinen Egoismus überwindet, im heiligen Gehorsam dem Altvater wie Christus folgt und sich ganz in die Liebe Gottes gibt (vgl.
Joh. XV 1-17; 1. Joh. II 7-11; IV 7-21). Keiner sucht das Seine; jeder dient dem Ganzen und trachtet dem Bruder Gutes zu erweisen. Jeder richtet sich ganz
auf den dreieinen Gott, den ewigen Urgrund allen Seins und aller Heiligung, aus. (Vgl. Basileios d. Gr., asketische Unterweisungen.)
Die Bindung an den dreieinen Gott findet ihre irdische Entsprechung in der Bindung an die konkrete menschlichen Gemeinschaft. Gott ist treu, darum kann
auch ich treu sein. Wie im Himmel so auf Erden. Treue, Liebe und Hingabe des Einzelnen finden ihren Widerhalt in der Hingabe, Liebe und Treue des
Altvaters und der Mitbrüder. Es ist eine große Tragik, wenn die Hingabe eines jungen Menschen ins Leere eines hohlgewordenen Traditionalismus stößt oder
von falschen Führern oder Institutionen mißbraucht wird. Wo immer irdische Macht und Größe zu sehr im Vordergrund stehen, besteht die Gefahr, daß der
Geist sich entzieht. Daher strebt das echte Mönchtum nicht danach, in mächtigen Institutionen zu glänzen oder den Beifall der Menge zu gewinnen, sondern
zuerst und in allem Gott zu erfreuen und vollständig in Ihm sich zu gründen. Das bringt von alleine eine gewissse Zurückgezogenheit und Einsamkeit mit
sich, denn niemand kann zween Herren dienen. Weil die echten Mönche bewußt auf alle irdischen Machtansprüche verzichten, können sie aufgrund ihrer
geistigen Freiheit, Reinheit und Gottunmittelbarkeit geistige Ratgeber und Führer des gläubigen Volkes sein.
Wie die Engel nicht einfach „Gemeinschaft“ bilden, jedenfalls nicht im weltlichen Sinne von „Geselligkeit“ oder „Zweckgemeinschaft“, sondern in
hierarchischer Gefolgschaft als Liturgen, geistige Krieger und Dienende des Ewigen Reiches in überirdischer Harmonie in allem immerdar das Heilige und
Heiligung erwecken, fördern und verteidigen, wie keiner das Eigene sucht, sondern jeder selbst zur Ausstrahlung des ewigen Urlichtes wird, welches alle vom
unsagbaren und überseienden Urgrund her vereint, und das ein jeder selbst von oben her empfängt – so ist auch mönchische Gemeinschaft am ehesten mit
dem Begriff der Heiligen Gefolgschaft zu charakterisieren. Der Mönch richtet zuerst in sich selbst die Herrschaft des Heiligen auf (das nämlich heißt
Hierarchie) indem er sich männlich von allem reinigt, was nicht Gottes ist, und sich zugleich in heiliger Empfängnisbereitschaft dem Einstrom der göttlichen
Gnade und Kraft, des göttlichen Lichtes, öffnet. Reinigung und Erleuchtung aber wirken die Einung in Gott. So wird er die göttliche Weisheit erlangen.
Darum heißt es auch, das Mönchtum sei die wahre Philosophie; und das ist nicht im abstrakten, lehrhaften Sinne gemeint, sondern im Sinne des Lebens in
Liebe und Wahrheit.