Orthodoxes Mönchtum
Die Mönchsweihen
Das orthodoxe Mönchtum ist weder Teil der kirchlichen Hierarchie noch ein Laienstand (wie in der
westlichen Kirche), sondern ein eigenes Mysterium (Sakrament), analog zu Taufe, Eucharistie,
Priesterweihe, Ehe, Salbung usw.
Nach der entsprechenden Lehr- und Probezeit vollzieht der Novize das Ganzopfer des Lebens. Er
weiht sich Gott, dem Ewigen, mit Leib und Seele, in Zeit und in Ewigkeit. Dies geschieht indem er
zunächst vor dem Altvater und den Mitbrüdern die „Metanie“ vollzieht, d. h. die ewigen Gelübde
ablegt. Sodann empfängt er die Weihe von Gott, aus der Hand seines Altvaters, durch die Gnade
und Kraft des Heiligen Geistes.
Es gibt nur ein Mysterium des Mönchtums; aber doch gibt es drei Weihestufen, die bestimmten
Etappen des geistigen Weges entsprechen:
1.) die Weihe des Heiligen Gewandes (Ράσοευχή),
2.) die Weihe der Kleinen Gestalt (Μικρόσχημα) und schließlich
3.) die Weihe der Großen Heiligen Engelgleichen Gestalt
().
Die Weihe des Heiligen Gewandes (Ράσοευχή) ist bereits eine vollgültige Mönchsweihe und sollte
erst nach einer entsprechenden Probezeit gespendet werden. Sie setzt die ewigen Gelübde und
mönchischen Lebenswandel voraus und wird im Zusammenhang einer Nachtwache vollzogen. Sie
entspricht dem Stand des Lehrlings, der sich klar entschieden hat und mit Ernsthaftigkeit den Weg
der Mönche geht, aber eben noch am Anfang steht. Es gibt Mönche, die ihr Leben lang in diesem
Stand verbleiben und durch Gehorsam, Demut und selbstloses Dienen heilige Männer werden. Von
Anfang an ist der Mönch als „Engel im Leibe“ und „Bote Gottes auf Erden“ in den
es’chatologischen Kampf der geistigen Mächte, von dem der hl. Apostel Paulus spricht (Eph.VI,
12), gestellt. Das Gewand ist von starker symbolischer Bedeutung; in der biblischen Überlieferung
steht es für die leibliche Seite des Menschen. In ihm drückt sich aber zugleich seine geistige Haltung
aus, mehr noch, es zeigt in der Verhüllung das Wesen.
Die Kleine Gestalt (Μικρόσχημα) ist die zweite Weihestufe. Das Weiheritual ist umfangreicher und in die göttliche Liturgie eingebettet. Der Mönch erhält
nun zusätzlich zum Heiligen Gewand den Brustschild (Pallium). Damit wird er als geistiger Krieger ausgezeichnet; sein Brustschild trägt als Siegeszeichen das
Kreuz Jesu Christi. Diese Weihe läßt das Urbild schärfer hervortreten und sollte nur dem gespendet werden, der solche Schärfe auch aushält und ausstrahlt.
Ein Mönch der Kleinen Gestalt sollte wesentliche Bereiche des Klosterlebens eigenständig aufrechterhalten und in der Heiligen Überlieferung gefestigt sein –
wie im alten Handwerk ein guter Geselle sein Handwerk versteht und eigenständig zu arbeiten im Stande ist.
Schließlich die Weihe der Großen Heiligen Engelgleichen Gestalt (), wie es vollständig heißt, markiert die Meisterschaft.
Sie bildet die höchste Weihestufe. Der Mönch erhält den vollständigen geistigen Harnisch, das große Pallium, welches wie ein Priesterschal getragen wird, und
auf dem weitere heilige Zeichen angebracht sind, sowie das Polystaurion. Diese Weihe wird nur erfahrenen Mönchen gegeben, die ganz und gar in der heiligen
Überlieferung zuhause und im Stande sind, andere Mönche anzuleiten und auszubilden. Gemäß der alten Überlieferung kann nur ein Mönch im Großen
S’chima andere Mönche weihen und führen. Alle Altväter und Äbte des Heiligen Berges Athos besitzen diese Weihe, und ohne diese Weihe (und d. h.
natürlich auch die dabei vorausgesetzte geistige Wirklichkeit, Unterscheidung und Erfahrung) kann man keine anderen Mönche führen. So wird vermieden,
daß das Mönchtum zu abstrakter Ideologie und äußerlicher Regelbefolgung erstarrt. Und es wird gewährleistet, daß die altüberlieferten Formen vom
lebendigen Geist erfüllt und getragen sind, daß der eigentliche ursprüngliche Charakter des Mönchtums als Mysterium und Weg der Vergottung bewahrt und
weitergetragen wird. Nur wo das wirklich gegeben ist, kann man mit Fug vom „ewigen Gnadenstrom“ sprechen.